Dietramszell, südlich von München, inmitten ausgedehnter Waldungen gelegen, wurde in der Mitte des 12. Jahrhunderts als kleines Ausgustinerchorherrenstift gegründet, wobei das Benediktinerkloster Tegernsee großzügig den ihm gehörenden Grund schenkte. Das Stift Dietramszell blieb zeitlebens ein armes und bescheidenes Stift, das oft an der Grenze des Existenzminimums war. Um so erstaunlicher, dass es im 18. Jahrhundert alle seine Kräfte in äußerster Anstrengung zusammenraffte und eine der ansehnlichsten Kirchen Oberbayerns zustande brachte und dazu noch einen Kranz kleiner Barock- und Rokoko – Kirchen rings um den Klosterort.
Nachdem 1766 die Klosterökonomie abgebrannt war und der Franzosenkrieg seinen Tribut gefordert hatte, war das Kloster wirtschaftlich wieder am Ruin und wurde 1803 in der allgemeinen Säkularisation schließlich ganz aufgehoben. 1830 haben Salesianerinnen das Gebäude angekauft und widmeten sich seither der Erziehung von Mädchen. Die Mädchen-Realschule wurde 1993 aufgelöst.
Die Stiftskirche schwebte lange in Gefahr, abgebrochen zu werden, bis sie 1851 anstelle der kleineren Martinskirche zur Pfarrkirche erklärt und damit gerettet wurde. Ei Abbruch dieser Kirche wäre ein unersetzlicher Verlust für ganz Bayern gewesen, wie wir bei unserem Besuch unschwer feststellen können. Dabei ist die rechtwinkelige Wandpfeilerarchitektur mit Emporumgängen des unbekannten Baumeisters von der Stilgeschichte her gar nicht so aufregend, die Ausstattung ist es, welche den Reiz bringt. Freilich bietet die Architektur mit ihren großen Lichtfenstern und den kalkweißen Reflektorflächen an den Wandpfeilern die Helligkeit und Lichtfülle, welche der Münchner Hofstukkateurmeister und Maler Joh. Bapt. Zimmermann (1680 – 1758) brauchte, um seine formvollendeten und seine farbfrohen Fresken von 1744 mit Leuchtkraft zu erfüllen.
Das Hauptfresko ober dem Langhaus zeigt die Vision des hl. Augustinus als Ordenspatron, das Fresko vor dem Chorbogen die Gründung des Klosters durch den Priester Dietram, das Fresko über dem Altarhaus die hl. Dreifaltigkeit, über der Orgel die hl. Cäcilia und das himmlische Engelskonzert, die Zwickelfresken im Langhaus die vier Evangelisten und die Seitenkappellenfresken das Leben der Kirchepatronin Maria. Das Hochaltarbild Joh. Bapt. Zimmermanns erinnert an die Aufnahme Mariens zum dreifaltigen Gott, eine dramatische Szene; auch mehrere Seitenaltarbilderstammen von Zimmermann und seinem Schüler Martin Heigl. Die Bildhauerarbeiten an den schönen, aus Holz bestehenden und dann marmorartig gefassten Seitenaltären haben Franz Xaver Schmädl und Philipp Rämpl gefertigt. In das Orgelgehäuse des 18. Jahrhunderts hat Joseph Pröbstl um 1840 ein bedeutendes Orgelwerk eingebaut. Nicht zu vergessen, die unglaublich hohe Fahne, welche die Wallfahrer von Lengries hierher getragen haben. Sixtus Lampl